Ist Social Media der Tod des Storytellings?
Lesedauer: 6 min
Wenn jede Kleinigkeit zu einer großen Geschichte aufgeblasen wird, stirbt dann das Potential der Markeninszenierung?
Wie ergeht es euch? Was sind eure Eindrücke? Immer mehr Beiträge auf den sozialen Medien, sei es mit Business Bezug oder auf privater Ebene, rufen bei mir eine, vorsichtig ausgedrückt, zumindest zweideutige Reflektionen hervor:
- Beeindruckende Lebensweisheiten oder austauschbare Kalendersprüche?
- Tiefgehende Erlebnisse oder alltägliche Erfahrungen?
- Interessantes Statement oder belanglose Selbstinszenierung?
- Interessante Persönlichkeit oder Luftpumpe?
Alles wird inszeniert, überhöht, in eine wichtige Geschichte eingebunden – und bewirkt dadurch bei mir inzwischen eine stark zunehmende Ermüdung und Frustration. Der relevante Inhalt zählt gefühlt kaum noch und die Verpackung wird immer wichtiger. Insbesondere auf LinkedIn eine Entwicklung, die ich stark bedauere. Das Storytelling ist eine kraftvolle Möglichkeit und wichtiges Tool der Markeninszenierung. Wir alle haben gelernt, dass Informationen in Form einer zusammenhängenden Geschichte besser in Erinnerung bleiben als die reine Information, die Zahlen/Daten/Fakten. Insofern ist die Entwicklung auf den sozialen Medien absolut nachvollziehbar. Jeder ist darum bemüht, sich in bestem Licht darzustellen – und sieht sich selbst als Marke. Unique. Unverwechselbar. Mit Stärken von denen die Welt erfahren muss….
Doch es ist viel, viel, viel zu oft nur noch heiße Luft. Und das auch noch so offensichtlich!
Was ist die mögliche Wirkung dessen? Wird sich eine Abnutzung und Abstumpfung einstellen? Wird das Storytelling im Kontext der Markenkommunikation noch Relevanz haben, obwohl jeglicher Inhalt als Geschichte inszeniert wird? Wird es ein immer stärker ausgeprägtes höher, weiter, schneller? Oder setzt eine Gegenbewegung ein und der relevante Inhalt sowie die Substanz erhalten ihre Wertschätzung zurück?
Der Schein ist inzwischen vielfach weit bedeutender als das Sein.
Eine Entwicklung, die langfristig nicht funktionieren kann und nicht überzeugen wird. Meine Hoffnung ist es, dass wir kurzfristig lernen, uns wieder auf die Substanz zu fokussieren. Kündigt sich bereits ein weniger ist mehr an? Besteht darin das wirklich beeindruckende, der Unterschied? Dafür wäre es umso wichtiger zu wissen, was die eigene Substanz ist. Welche Akzeptanz sie bei der Zielgruppe findet und welche Relevanz diese im Vergleich zum Wettbewerb hat. Statt auf diesen einfachen Grundlagen aufzubauen, überwiegt ein oberflächlicher und vielfach leider austauschbarer Beautycontest. Die Individualität wird der trendigen Inszenierung geopfert, der eigene Markencharakter wird austauschbar. Denn der gefühlte (Wettbewerbs-) Druck immer wieder neuen Content zu produzieren, muss zwangsläufig in der Menge zu weniger Relevanz führen.
Somit wären wir beim Content Marketing, eng verbunden mit dem Storytelling.
An dieser Stelle eine kurze Klärung der Begriffe, um Missverständnisse zu vermeiden. Tatsächlich bietet in diesem Fall Wikipedia eine gute Zusammenfassung der Definitionen aus der Fachliteratur:
Storytelling
Storytelling (deutsch: „Geschichten erzählen“) ist eine Erzählmethode, mit der explizites, aber vor allem implizites Wissen in Form von Leitmotiven, Symbolen, Metaphern oder anderen Mitteln der Rhetorik weitergegeben wird. Es wird hauptsächlich in digitalen Medien angewandt, hat aber eine lange Tradition. Das Publikum konsumiert die Story nicht nur durch Zuhören, Lesen oder Anschauen, sondern kann aktiv als Prosumer in die Umsetzung auf News-Portalen, Blogs, Streaming-Plattformen und in der Virtual Reality eingebunden werden. Der Begriff Storytelling ist eng mit dem Narrativ verbunden.
Storytelling wird unter anderem in der Bildung, im Wissensmanagement, in der Unternehmenskommunikation, als Methode zur Problemlösung und als Marketing-Methode eingesetzt. In der Wissenschaft dient es zur Vermittlung von Expertenwissen an ein Laienpublikum, wird aber gelegentlich wegen seines angeblich manipulativen Charakters abgelehnt.
(Wikipedia)
Content Marketing
Content-Marketing ist eine Marketing-Technik, die mit informierenden, beratenden und unterhaltenden Inhalten die Zielgruppe ansprechen soll, um sie vom eigenen Unternehmen und seinem Leistungsangebot oder einer eigenen Marke zu überzeugen und sie als Kunden zu gewinnen oder zu halten.
Im Gegensatz zu werbenden Techniken wie Anzeigen, Bannern oder Werbespots (bei bspw. Facebook, Instagram oder LinkedIn) stellen die Inhalte des Content-Marketings nicht die positive Darstellung des eigenen Unternehmens mit seinen Produkten in den Mittelpunkt, sondern bieten nützliche Informationen, weiterbringendes Wissen oder Unterhaltung. Content-Marketing orientiert sich in der Ansprache und der Thematik an Fachpresse-, Beratungs- und Unterhaltungspublikationen. Seine Ziele erreicht das Content-Marketing, indem es den Inhaltsproduzenten als Expert*innen, Berater*innen und Entertainer*innen profiliert, der Kompetenzen, Know-how und Wertversprechen durch den Inhalt demonstriert, statt sie nur zu behaupten.
Das Content-Marketing gehört zum strategischen Marketing. Es konzentriert sich auf die Erstellung und Verbreitung wertvoller, relevanter und konsistenter Inhalte, um ein klar definiertes Publikum anzuziehen, zu halten, und letztendlich profitables Kundenhandeln zu generieren.
(Wikipedia)
Beide Definitionen nachfolgend auf den Punkt gebracht:
„Storytelling ist eine Erzählmethode, mit der Wissen in Form von Leitmotiven, Symbolen, Metaphern oder anderen Mitteln der Rhetorik weitergegeben wird – und Content Marketing konzentriert sich auf die Erstellung und Verbreitung wertvoller, relevanter und konsistenter Inhalte.“
Diese Zusammenfassung vor Augen verdeutlich die Differenz, zwischen dem was das Ziel und dem was Realität ist!
Ergänzend dazu das gute Schaubild des Content Radar von Mirko Lange, in dem die Möglichkeiten und das Spielfeld des Content Marketing sehr gut dargestellt werden um ein Storytelling zu erzielen:
Welcher Story und Content als Teil dessen interessiert wirklich? Na klar, irgendwie reagieren immer alle auf Menschen, schön inszenierte Fotos wie bei Facebook oder Instagram. Aber reicht es dauerhaft, damit in Verbindung Allgemeinplätze zu kommunizieren, wie zu Beginn dieses Beitrags gegenübergestellt? Stärke ich dadurch die Person und/oder Institution?
Aus meiner Sicht ein klares Nein! Und ich gehe davon aus, wir befinden uns aktuell bereits am Kipppunkt, nach dem ein Korrektiv einsetzt und tatsächlich relevante Inhalte wieder mehr an Bedeutung gewinnen. Relevant (für die Zielgruppe), authentisch (da glaubwürdig), differenzierend (von vergleichbaren Inhalten)!
Das Wissen darum muss jedoch zunächst erarbeitet und somit erkannt werden. Für Personen ist dies einfacher zu erkennen als für Institutionen. Optimal ist es innerhalb von Institutionen, die Vielzahl an Personen in einem partizipativen Prozess mitarbeiten zu lassen – um dadurch Klarheit über die Markenpersönlichkeit zu haben, die dann als Corporate- und Employer Brand zielführend ausgespielt werden kann! Daraus ergibt sich der relevante Inhalt für das Storytelling und somit das Wissen welcher Content darauf einzahlt.
Lasst uns damit nicht länger warten, sondern starten!
Denn die Inhalte in den digitalen Medien wie auch bei Instagram und Facebook werden nicht weniger, sondern potenzieren sich nach wie vor, wie das nachfolgende Schaubild zeigt:
In dieser Flut können Institutionen nur bestehen, wenn es eine klare Strategie gibt, die zu überzeugendem Storytelling und differenzierendem sowie stringentem Content führen, die auf die Marke einzahlen.
Let´s start! Denn dann hat letztendlich das inflationäre Storytelling auf den sozialen Medien nicht zu dessen Tod beigetragen, sondern zur weiteren Verbesserung und Schärfung dieses unverzichtbaren Instruments der Markeninszenierung!